KOMMUNIKATION MIT DER WIRKLICHKEIT

 
 
 

Interview mit Peter Peer Rohr,

Realitätsbewusstseinsforscher und Menschenrechtler

 

Sie bezeichnen sich als Realitätsbewusstseinsforscher! Welche Realität ist Gegenstand ihrer Forschung?

 

Sowohl jene, die wir als Wirklichkeit wahrnehmen und anerkennen, jene, die wir verneinen, weil sie sich scheinbar jenseits unserer unmittelbaren Wahrnehmung befindet, als auch jene, vor der wir aus Angst vor dem Unbekannten zurückschrecken.

 

Wie lässt sich ein Territorium der Wirklichkeit erforschen, das sich der menschlichen Erfahrungs- und Erkenntnisfähigkeit entzieht?

 

Es gibt keinen Aspekt der Wirklichkeit, die sich außerhalb der menschlichen Erfahrungs- und Wahrnehmungsfähigkeit befindet. Es gibt allenfalls Unfähigkeit, Ablehnung oder Verweigerung, sich dem Tatsächlichen zu stellen. Die Erforschung eines unbekannten Wirklichkeitsterritoriums  ist allein eine Frage der angemessenen Identifizierung, Wahrnehmung und Kommunikation.

 

Missverständnisse und Probleme beruhen also auf mangelnder Kommunikation und dass man der Erfahrung einer bestimmten Realität ausweicht und Tatsachen verneint?

 

Es war seit jeher das große Dilemma des Menschen, nicht beim Tatsächlichen bleiben zu wollen. Die Wirklichkeit des gegenwärtigen Moments reichte dem Menschen nie aus. Statt die gesamte Reichweite seiner subjektiven Wahrnehmungsfähigkeit auszuloten, beschäftige sich der Mensch vornehmlich damit, sich etwas Besseres vorzustellen und nach etwas Vollkommeneren zu streben als das Gegenwärtige.

 

"Etwas zu Werden beinhaltet die Idee,

etwas Befriedigenderes zu erreichen als den gegenwärtigen Zustand.
Wir wollen reich und wohlhabend werden oder wissender und spirituell entwickelter.

Wir haben alle möglichen Wünsche und Bedürfnisse,

aber all diese Sehnsüchte beruhen darauf,

dass wir nicht mit dem zufrieden sind, was wir gerade sind.

Dies geht soweit, dass wir gar nicht mehr darauf achten,

was wir im Moment sind und was wir bereits erreicht haben.

Wir sehen nur das, was wir noch nicht erreicht haben

und was uns vermeintlicher Weise noch zu unserem gegenwärtigen Glück fehlt.

Anstatt zu versuchen, herauszufinden, wer wir sind und was wir bereits erreicht haben

und worin unsere Frustration eigentlich begründet liegt,

den gegenwärtigen Zustand nicht genießen zu können,

 träumen wir weiter von etwas anderem und besserem.

Wir erkennen nicht, dass wir genauso unzufrieden sein werden,

wenn wir das andere und bessere erreicht haben, weil sich unsere geistige Bewusstseinsreife

nicht durch die Erfüllung von etwas anderem oder besserem verändern wird.“

 -Ayya Khema, When the Iron Eagle Flies-

 

Aber ist dieses Streben nach Verbesserung und Vervollkommnung der äußeren Welt nicht verantwortlich für den technologischen Fortschritt und das zunehmende Wissen über den Kosmos und die biologische Evolution des Menschen?

 

Weder der technologische Fortschritt noch der immense Zuwachs an Wissen haben die Fähigkeit des Menschen bedeutsam gesteigert, sowohl auf seine innere als auch auf seine äußere Realität angemessener und weniger rücksichtsloser zu reagieren.

 

Können Religion oder Spiritualität die menschliche Fähigkeit, innere und äußere Realität angemessen zu konfrontieren, verbessern?

 

Religion und Spiritualität beruhen auf dem Mechanismus, das Prinzip der Verbesserung und Vervollkommnung der  äußeren auf die innere Welt zu verlagern. Statt sich mit den faktischen Gegebenheiten der tatsächlichen Wirklichkeit auseinander zu setzen, beschäftigt sich der religiöse und spirituelle Mensch mit Glaubensvorstellungen, Hoffnungen und Erwartungshaltungen über eine imaginäre Wirklichkeit.

 

Lehnen Sie Religion oder Spiritualität als Mittel zur Lebensbewältigung ab?

 

Wenn irgendeine religiöse oder spirituelle Tätigkeit die Fähigkeit erhöht, die Wirklichkeit des gegenwärtigen Moments angemessen konfrontieren, wahrnehmen und verarbeiten zu können, dann erfüllt sie ihren Zweck. Die Geschichte hat aber nicht gezeigt, dass die Beschäftigung mit religiösen oder spirituellen Themen - seien es Meditation, Kontemplation, Gebet oder rituelle Aktivitäten - die natürliche Fähigkeit des menschlichen Bewusstseins und Wahrnehmungsapparates signifikant verbessert hätte, innere und äußere Realität angemessen wahrzunehmen und zu verarbeiten.

 

Hat das Streben nach spirituellen oder religiösen Zielen dann überhaupt irgendeinen Sinn?

 

Solange im eigenen Bewusstsein eine Aufteilung besteht, zwischen dem, was sein sollte und dem, was ist, hält man in seinem Denken, Fühlen und Wollen einen Zustand aufrecht, der durch Konflikte auf der seelischen, emotionalen, mentalen, körperlichen und sozialen Ebene gekennzeichnet ist. Da religiöse Praktiken und spirituelle Konzepte ursächlich für Konflikte und Widersprüche im Denken, Fühlen und Wollen verantwortlich sind, können sie auch nichts zu deren Lösung beitragen.

 

"Ich behaupte, dass die Wahrheit ein Land ist,

zu dem keine Landkarte führt, kein Pfad bringt uns ihr näher, keine Religion, keine Sekte.

Ich möchte keiner spirituellen Organisation angehören, bitte verstehen Sie das!

Wenn eine Organisation zu diesem Zweck geschaffen wird,

wird sie zur Krücke, zur Schwäche, zur Fessel

und sie wird das Individuum unweigerlich verkrüppeln,

es am Wachstum hindern, an der Entfaltung seiner Einzigartigkeit,

die darin besteht, die absolute, bedingungslose Wahrheit selbst zu entdecken.
Ich will keine Anhänger und ich meine das wirklich so.

Sobald man jemandem nachfolgt, hört man auf, der Wahrheit zu folgen.

Seit Jahrtausenden bereiten sich die Menschen auf das Erscheinen eines Weltlehrers vor.

Manche suchen ihr ganzes Leben nach jemand,

der Ihrem Herzen und Verstand neues Entzücken bringen soll - der Sie befreien würde.

Und jetzt schauen Sie doch einmal genau hin, was wirklich mit Ihnen geschehen ist.

Denken Sie nach, prüfen Sie sich selbst und stellen Sie fest,

inwiefern dieser Glaube, an dem Sie festhalten, Sie verändert hat?

Sind Sie irgendwie freier, unabhängiger geworden, gefährlicher für die Gesellschaft,

die sich auf Falschem und Unwesentlichem gründet?
In Wirklichkeit sind Sie abhängig geworden, Sie haben Ihre Spiritualität, Ihr Glück,

Ihre Erleuchtung von jemand anderem,

von einer Hoffnung oder einer Ideologie abhängig gemacht.

Sie haben es sich zur Gewohnheit gemacht,

dass man Ihnen sagt, wie weit Sie fortgeschritten sind,

welchen spirituellen Status Sie haben. Wie töricht!

Wer weiß besser als Sie selbst, ob Sie unbestechlich sind?

Ich sehne mich nach Menschen, die versuchen mich zu verstehen, die frei sein wollen, ...

frei von der Furcht vor der Religion, der Furcht vor der Befreiung,

der Furcht vor Spiritualität, der Furcht vor der Liebe,

der Furcht vor dem Tod, der Furcht vor dem Leben...

Sie können neue Organisationen gründen und auf jemand anderen warten.

Damit will ich nichts zu tun haben,

 weder mit neuen Käfigen, noch neuen Dekorationen für diese.

Ich bin einzig darauf bedacht,

dass Menschen absolut und bedingungslos frei werden können."

-Jiddu Krishnamurti-

 

Welche praktische Lösung bieten Sie an, den Konflikt im eigenen Bewusstsein zu beenden, etwas zu sein oder etwas werden bzw. erreichen zu wollen, was man gar nicht sein bzw. nie erreichen kann?

 

Zuerst muss man akzeptieren, dass es nicht Aufgabe des Menschen ist, die Welt in Ordnung zu bringen bzw. die Welt als Erfüllungs-Lieferant für menschliche Bedürfnisse und Wünsche anzusehen. Die natürliche Verantwortung und Verpflichtung des Menschen besteht vielmehr darin, sein individuelles Leben mit der bereits bestehenden existentiellen Ordnung in Einklang zu bringen. Um diese Übereinstimmung mit der äußeren Wirklichkeit herzustellen, muss der Einzelne zuerst einmal Ordnung, Harmonie, Gleichgewicht und Übereinstimmung in seinem eigenen Energie-Geist-Körper-System erzeugen. Je weniger Zugang er zu dieser inneren Ordnung findet, desto mehr wird aus diesem Mangel an Selbstgenügsamkeit heraus versuchen, diesen Verlust an innerer Freiheit durch Übergriffe auf die äußere Welt zu kompensieren.  

 

Wie erzeugt der einzelne Ordnung und Übereinstimmung in seinem eigenen Energie-Geist-Körper-System, ohne auf ein äußere Hilfestellung oder ein äußeres Konzept zurückgreifen zu müssen?

 

Indem man lernt, die Verantwortung über seine inneren Intelligenzen zu übernehmen. Ich bezeichne diesen Akt der freiwilligen Übernahme der Verantwortung und Selbstbestimmung als Selbstermächtigung. Selbstermächtigung geht sowohl einher mit der Befreiung von religiöser, spiritueller und ideologischer Fremdbestimmung als auch mit der Befreiung von materiellen Abhängigkeitsverhältnissen durch Handlungen und Verhaltensweisen, die auf authentische Weise seelische, spirituelle, emotionale und intellektuelle Autonomie, Selbstgenügsamkeit und Selbstständigkeit herstellen und bewahren.

 

Sie plädieren also für die Unabhängigkeit des an geistig-spiritueller Entwicklung interessierten Menschen von äußeren Lehrsystemen, Religionen und Autoritäten?  

 

Ohne spirituelle Selbstbestimmung kann es weder ein freies noch erfüllendes Leben in Übereinstimmung mit den universellen Gesetzen geben. In dem Maße, wie sich der Einzelne selbstermächtigt,  lernt er, die Verantwortung für seine innere und äußere Realität zu übernehmen. Das Gebot der Zeit lautet, spirituelle Unmündigkeit, selbst verschuldete Unfreiheit und materielle Abhängigkeit zu beenden. Durch Konfrontation mit der Realität - unter Verzicht auf jede Flucht in eine Utopie, Ersatzwelt oder Tradition kann  der Einzelne seine Bedingtheit erkennen und eine neue Dimension der Freiheit gewinnen. Je mehr man die Verantwortung über sein selbstgeschaffenes Schicksal übernimmt, desto mehr gewinnt man die Fähigkeit zurück, sein Leben in Übereinstimmung mit seinem Seelenplan im Alltag zu manifestieren.

 

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